Aktionstag „Heimat shoppen“: da geht mehr!
Wer am vergangenen Wochenende einkaufen war, hat sicher irgendwo weiße Papiertüten gesehen, auf denen das Logo „Heimat shoppen“ prangt. Diesen etwas seltsamen Namen trägt ein Aktionstag der IHK. Mit ihm soll bundesweit auf die Wichtigkeit des lokalen Handels aufmerksam gemacht werden. Von der gewöhnungsbedürftigen Schreibweise abgesehen, finde ich die Idee grundsätzlich gut. Niemandem kann es entgangen sein, dass es in den Innenstädten immer mehr Leerstände gibt und kleine individuelle Fachgeschäfte immer öfter von Ketten oder dem stets gleichen Sortiment abgelöst werden. Mir allerdings scheint es so, als wäre den Machern der Aktion bei der Umsetzung die Motivation verloren gegangen. Statt einheitlicher bundesweiter Events, die sich durch ihre Masse Gehör verschaffen oder kreativen Ideen, die aufgrund ihrer Besonderheit auffallen, wird auf bunte Tüten im Schaufenster und Sonderangebote gesetzt. Wow …
Termin der sensibilisieren soll – was aber untergeht
Auch in Bremen-Nord hält sich die „Heimat shoppen“-Begeisterung in Grenzen. Aktionen der Händler in den einzelnen Stadtteilen gibt es kaum. Höchstens ein paar Sonderangebote und eine „Heimat shoppen“-Tüte statt der normalen Büdel zum Verstauen des Einkaufs. Davon, dass dies DER Tag der Händler sein sollte, DIE Möglichkeit, sich sichtbar zu machen und zu zeigen, wie arm der Standort ohne sie wäre, merkt man nichts. Einzig Vegesack zeigt Engagement und legt den Hökermarkt auf den „Heimat shoppen“-Termin. Die ansässigen Händler stellen Tische vor ihre Ladentüren und handeln (hökern) mit Passanten um alte Deko, nicht mehr aktuelle Ware und andere Fundstücke. Das macht Spaß und man kommt ins Gespräch. Zweimal im Jahr findet die Aktion statt und immer vermittelt sie einen Eindruck davon, wie die Fußgängerzone aussehen könnte, wenn die Menschen wieder öfter dort einkaufen würden. Trotzdem fehlt mir für einen richtigen Aktionstag etwas Wichtiges: Das informierende, aufrüttelnde Element. Keine Infotafeln, Spruchbänder oder Informationsstände. Keine Menschen, die aktiv die Hintergründe erklären. Ich wette, würde man die Kunden fragen, was dieses „Heimat shoppen“ ist, könnte kaum jemand eine Antwort geben.
Deshalb möchte ich das an dieser Stelle einfach mal übernehmen. Dabei sei angemerkt, dass mir bewusst ist, dass der aktuelle Zustand des lokalen Einzelhandels verschiedene Gründe hat. Dazu gehören auch steigende Kosten, gesetzliche Auflagen, Bürokratie und die sinkende Kaufkraft. Es gibt jedoch einen Aspekt, auf den wir Verbraucher aktiv Einfluss nehmen können: Unser Kaufverhalten.
Während der Corona-Lockdowns war das Thema präsenter. Die Lieblingshändler und -gastronomien wurden mit Gutscheinkäufen unterstützt, Einkäufe über schnell aus dem Boden gestampfte Bestellmöglichkeiten getätigt und das Essen vom Stammlokal nach Hause geholt. Als der Virus seinen Schrecken verlor, kehrten die meisten Menschen jedoch wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurück. Dazu gehören auch Bequemlichkeit und Schnäppchenmentalität. Für eine Bestellung beim Onlinehändler braucht es nur ein paar Klicks und schon kommt die Ware bist vor die Haustür. Ich mache mich davon nicht frei. Auch ich kaufe bei A..z.n und Co. Allerdings versuche ich mich dabei an eine Faustregel zu halten: Erst mal schauen, ob ich das, was ich brauche, vor Ort bekomme. Bin ich dort nicht erfolgreich, gehe ich ins Internet.
Doch was ist, wenn das, was ich haben möchte, im Laden nebenan teurer ist als im Internet? Tja, das ist der Punkt, an dem es sich lohnt, in sich zu gehen und überlegen, wie wichtig dieser Preisunterschied ist. Ja, es gibt viele Menschen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Sie sind es letztendlich aber auch, die die Auswirkungen eines schwächelnden Standorts zu spüren bekommen. Mir geht es deshalb um all jene, die gerne Schnäppchen jagen, ohne es zu müssen. Die, denen ein paar Euro Unterschied kein Loch in die Haushaltskasse reißen. Menschen, die ihr Geld ohne große Not für Dinge ausgeben können, die nicht zwingend lebensnotwendig sind. Also Menschen wie ich und viele meiner Bekannten, Freunde und Kollegen. Natürlich ist es ein tolles Gefühl, die neue Jeans für 34 EUR statt 49,99 EUR zu bekommen oder wenn die Lieblingstasse, die für 19,80 Uhr im Schaufenster steht, beim Onlinehändler für einen Zehner zu haben ist. Dieses Hochgefühl, (das wohl auch durch einen Rest steinzeitlicher Jäger- und Sammlermentalität getriggert wird), verschwindet jedoch, wenn einem bewusst wird, dass die Schnäppchenjagd im Internet auf längere Sicht zum Schuss ins eigene Knie wird.
Warum lokal einkaufen wichtig ist: ein praktisches Beispiel
Brechen wir das Ganze auf eine spezifische Situation herunter. Als Beispiel dient ein fiktives Geschäft in einer durchschnittlichen Fußgängerzone eines mittelgroßen Ortes. Seit 15 Jahren verkauft der kleine Laden Deko und Kleidung, die die Inhaberin mit Liebe zum Detail und unter Berücksichtigung der Wünsche Ihrer Kunden aussucht. Das Geschäft gehört fest zum Stadtbild und wertet die Fußgängerzone durch die individuell gestalteten Schaufenster auf. Unsere Händlerin hat zwei feste Mitarbeiterinnen (eine Vollzeit und eine Mutter in Teilzeit) sowie zwei Aushilfen auf 520-EUR-Basis. Alle wohnen in der Umgebung. Ihrem Team bezahlt sie einen fairen Stundenlohn. Der Laden befindet sich in einer recht guten Lage und die Miete bewegt sich im mittleren Bereich.
Ladenmiete und Nebenkosten, Löhne und Co. sind laufende Kosten, die sich auf den Preis der Waren niederschlagen. Zumindest, wenn vernünftig gewirtschaftet wird. Und das tut unsere Händlerin, sonst wäre sie nicht schon seit 15 Jahren erfolgreich. Sie hat ihre Einnahmen und Ausgaben im Blick, vergisst aber auch ihr Umfeld nicht. Sie weiß, dass zu einem starken zukunftsfähigen Standort nicht nur ein gut laufender vielfältiger Einzelhandel gehört. Ebenso wichtig ist es, dass die Menschen, die im Umkreis wohnen, gerne dort leben. Dazu tragen unter anderem Kultur- und Freizeitangebote bei, genauso wie Vereine und soziale Einrichtungen. Sind sie gut aufgestellt, ist das die Basis für ein Umfeld, in dem man sich gerne bewegt und bleibt.
Engagiert für den Standort und seine Menschen
Aus diesem Grund engagiert sich unsere Ladeninhaberin und spendiert dem regionalen Sportverein neue Trikots. Für das Sommerfest der Grundschule hat sie ebenso ein paar Euros über wie für den ehrenamtlich organisierten Spendenlauf, dessen Einnahmen an Freizeitprojekte für Kinder aus armen Familien gehen. Sie wirkt am Hochbeet-Projekt des Freizis mit und beteiligt sich als Sponsor am Stadtfest. Etwas zur Weihnachtsbeleuchtung der Händler in der Fußgängerzone dazu zu geben, ist natürlich selbstverständlich.
All das ist nur möglich, weil die Menschen der Umgebung bei ihr einkaufen und damit ihr Einkommen, das ihrer Mitarbeiter und den Fortbestand des Ladens sichern.
Natürlich wird bei einem Einkauf auch geschnackt und manch ein älterer Kunde bleibt etwas länger, weil zu Hause niemanden mehr ist, der ihm zuhört. Persönliche Beratung ist selbstverständlich, auf Wunsch werden besondere Stücke gesucht oder bestellt. Gerne nimmt der Laden auch Anregungen und Kritik entgegen, denn so kann unsere Geschäftsinhaberin ihr Sortiment so auf die Bedürfnisse ihrer Kunden anpassen. Schließlich geht es darum, dass diese zufrieden sind. Was sie nicht kann, ist ihre Preise auf das Niveau von Onlinehändler XY zu drücken. Der Grund: siehe oben.
Onlineshopping vs. lokaler Händler: Der Dominoeffekt
Wer keine Miete und Mitarbeiter bezahlen muss, ist natürlich im Vorteil, denn es müssen kaum Mehrkosten auf den Preis umgelegt werden. Allerdings interessiert sich der Onlinehandel selten für den Wohnort und Lebensmittelpunkt seiner Kunden. Das Geld fließt deshalb aus unserem beschriebenen Örtchen hinaus irgendwo in die Welt und lässt die Kinder des Sportvereins, das Freizi, die sozialen Projekte im Stadtteil, das Stadtfest und Co links liegen. Dieses Abfließen zeigt sich auch in der Kasse unserer Ladeninhaberin. Der Spielraum für Ausgaben sinkt und sie muss sich auf ihr Kerngeschäft und dessen laufende Kosten konzentrieren. Immer öfter winkt sie deshalb ab, wenn nach einem Sponsoring gefragt wird. Da sich die Situation nicht verbessert, sich durch Faktoren wie steigender Einkaufspreise, Energiekosten etc. sogar noch verschlimmert, muss sie irgendwann den Stamm ihrer Mitarbeiter verkleinern. Doch nicht nur ihr geht es so. Weitere Händler der Fußgängerzone haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Deshalb fällt die Weihnachtsbeleuchtung Jahr für Jahr spärlicher aus. Weil Sponsoren fehlen, wird das Stadtfest um einen Tag gekürzt, findet irgendwann nur noch alle zwei Jahre statt oder wird ganz eingestellt. Bald schließen die ersten Geschäfte und es kommen kaum neue nach. Die Fußgängerzone wird zunehmend trister und das Sortiment lichter, was wiederum dazu führt, dass noch mehr Menschen online kaufen.
Durch die verloren gegangenen Unternehmen nimmt die Gemeinde zudem weniger Gewerbesteuer ein. Dadurch sinkt der Spielraum für Investitionen. Muss zum Beispiel ein Sport- oder Spielplatz saniert werden oder braucht die Feuerwehr ein neues Gerätehaus, kann die Gemeinde nichts oder nur sehr wenig dazu geben. Dadurch kommen viele öffentliche Projekte nur langsam voran. Viele können gar nicht erst in Angriff genommen werden. Das wirkt sich auf Dauer auf die Zufriedenheit der Menschen aus, die am Standort leben – was ihn zunehmend unattraktiver macht.
„Heimat shoppen“: Bewusst und lokal einkaufen heißt sein zu Hause stärken
Dieser Kreislauf lässt sich durch ein bewusstes Einkaufsverhalten durchbrechen. Nur wenn man den örtlichen Handel stärkt, kann sich der Standort positiv entwickeln. Erst wenn die vorhandenen Angebote und Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, besteht die Chance, dass sich das Portfolio wieder erweitert. Nur wenn man in seinen Lebensmittelpunkt investiert, kann man sicher sein, dass er sich positiv entwickelt und lebenswert für alle bleibt.
Es zeigt sich also, dass der Ladenpreis der neuen Jeans oder der Lieblingstasse nur vermeintlich teurer ist als der des Onlinehandels. Vielmehr ist er eine Investition in den Ort, an dem man sich zu Hause fühlt.